Warum Skiservice selber machen?
Der Belag und die Kanten von Alpinski, Snowboards und Langlaufski sind je nach Einsatzort und -Zeit mehr oder weniger hohem Verschleiß unterworfen. Das Wachs wird abgerieben, der Ski oder das Board dreht und gleitet schlechter. Das kostet zum einen Kraft und reduziert außerdem den Fahrspaß.
Deutlich spürbarer beim Fahren ist es wenn die Stahlkanten nicht mehr scharf sind. Dann greifen sie nicht mehr auf harter Piste, der Ski oder das Board rutschen weg. Bei hohen Geschwindigkeiten oder steilen Pisten nicht nur ein unangenehmes Gefühl sondern auch ein Sicherheitsrisiko.
Viele Sportgeschäfte oder Skihersteller empfehlen die Ski einmal im Jahr oder vor jedem Skiurlaub zum Skiservice zum bringen. Das ist auch die allgemeine Vorgehensweise bei 90% der Skifahrer. Aber ist das realistisch?
Ein Skiwachs hält je nach Schneeart und der Wachsmethode zwischen 30 und 150km. Ein Skifahrer schafft im Durchschnitt etwa 30km pro Skitag. Ein sportlicher Skifahrer schafft bei guten Pistenbedingungen und geringen Wartezeiten am Lift etwa 10km in der Stunde. Ein schwäbischer Skifahrer der seine Liftkarte optimal ausnutzt, kommt so auf über 70km pro Skitag.
Das bedeutet daß ein gemütlicher Freizeitfahrer spätestens nach 5 Tagen kein Skiwachs mehr drauf hat. Ein sportlicher Skifahrer bereits nach zwei bis drei Tagen. Auch die Skikanten haben ungefähr die selbe Gebrauchsdauer. Das gilt allerdings nur für normale Schneeverhältnisse. Bei aggressiven Schneearten wie kalter Pulverschnee oder Kunstschnee halbiert sich das Ganze.
Welche Skiserviceintervalle sind also realistisch?
Meine Erfahrungen aus über 50 Jahren als Skifahrer und 45 Jahren als Skiservicespezialist sind folgende:
Wer keine großen Ansprüche hat und eher der durchschnittliche Fahrer ist, für den ist es akzeptabel wenn er einmal pro Skiwoche (5-7-Tage) ins Sportgeschäft geht um die Ski richten zu lassen. Auch Snowboarder die überwiegend in Snowparks unterwegs sind, erreichen selten viele Pistenkilometer. Wer zusätzlich zwischendrin mit einem Kaltwachs nachwachst oder mit einer Diamantfeile die Kante nachzieht kann die Fahreigenschaften mit wenig Aufwand auf einem guten Niveau halten.
Bei aktiven Apres-Skifahrer/innen welche um 13 Uhr auf die Piste gehen und um 14 Uhr an der Schneebar stehen reicht es wenn sie alle 4 Jahre einen neuen Ski kaufen. Der ist schon gewachst .
Etwas anspruchsvollere Fahrer/innen bringen ihre Ski im Skigebiet zusätzlich einmal unter der Woche zum Schleifen und Wachsen.
Wer sehr hohe Ansprüche hat richtet seine Ski je nach Bedarf und Ambitionen nach einem bis zwei Skitagen selber. Ansonsten gilt: Verlasse Dich auf Dein Gefühl. Ist Dir der Ski zu langsam oder ist Dir das Fahren auf harten Pisten unangenehm dann wird es Zeit was zu unternehmen.
Beim sportlichen Langlaufen gilt, wer seine Langlaufski etwa alle fünf Skitage mit einem Bügelwachs behandelt und dann täglich mit dem passenden Liquidwachs nachwachst hat immer einen (sehr) schnellen Ski. Denn darum geht es beim Langlaufen.
Hobbylangläufer sollten ihre Nowax- oder Skin-Langlaufski vor jeder Langlauftour reinigen und mit einem passenden Kaltwachs wachsen. Dauert 5 Minuten.
Skiservice im Sportgeschäft?
Bringst Du Deine Ski oder Boards ins Sportgeschäft bekommst Du einen Standardservice nach RMS-Level 2. Das bedeutet in der Regel daß Dein 1000 Euro Racecarver gleich geschliffen wird wie ein Einsteigerski. Und Du bist abhängig davon wie gut der Mann an der Maschine ausgebildet und motiviert ist. Und da gibt es gewaltige Unterschiede.
Ein Skiverkäufer der nach Feierabend noch 10 Paar Ski schleifen muß ist nicht immer so gut bei der Sache. Und ein unerfahrener Aushilfsjobber der mit einer schlecht gewarteten Schleifmaschine mit abgenutzen Schleifsteinen arbeitet bekommt auch kein Top Ergebnis raus.
Im schlimmsten Fall bekommst Du einen unfahrbaren Ski zurück. Das ist nicht so selten.
Was kannst Du erwarten? Bei einem normalen Skiservice werden die Skikanten meistens mit 88/1 Grad geschliffen, das ist im Prinzip ok. Es geht aber deutlich besser wenn man es selber macht. Oder wenn Dir ein kompetentes Skifachgeschäft einen teuren Rennservice anbieten kann.
Beim Skibelag wachsen geht es im Sportgeschäft um Schnelligkeit bei der Arbeit. Darum werden einfache Universal-Skiwachse meistens mit einer Walze aufgerieben und einpoliert. Diese Wachsmethode ist ausreichend für etwa 30-50km Strecke, also einen guten Skitag. Gut ausgestattete Skifachgeschäfte haben Infrarot-Wachsautomaten und bürsten die Struktur zusätzlich noch frei. Richtig einbügeln machen nur Profis gegen Aufpreis.
Auch das kann man mit wenig Aufwand selber deutlich besser machen.
Langläufer sind sowieso besser beraten wenn sie den Service selber machen, zum einen weil man es täglich machen sollte und zum anderen weil es nur ein kleiner Aufwand ist.
Vorteile beim Selber richten?
Wenn Du Deine Ski selber richtest hast Du es auch selber in der Hand welches Ergebnis zu bekommst.
+ Du kannst die Serviceintervalle an die Abnutzung anpassen.
+ Du kannst die Kantenwinkel selber bestimmen.
+ Du bekommst eine schärfere Kante hin.
+ Du kannst bessere Skiwachse verwenden.
+ Du kannst die Wachse einbügeln und so die Abriebfestigkeit verdoppeln.
Und Du kannst mit wenig Aufwand die Ski täglich nachschärfen und nachwachsen. Und zwar richtig gut.
Voraussetzungen fürs Selber richten?
Im Internet liest man immer mal wieder daß man beim Skiservice viel kaputt machen kann. Früher habe ich über die Aussage gelacht, da man eigentlich keine Fehler machen kann wenn man die Werkzeuge nach Anleitung in der richtigen Reihenfolge nutzt. Wer eine Unterhose bügeln kann kann auch ein Skibelag wachsen. Und wer etwas Gefühl hat für den ist das Schleifen der Skikanten auch kein Problem.
Allerdings habe ich bei YouTube zwei Anleitungs-Videos gesehen die tausende von Klicks und Likes haben und bei denen sich bei mir die Nackenhaare aufstellen. Ein Typ der mit einer Karosseriefeile freihändig eine Skikante schleift. Und eine bekannte Snowboard-Bloggerin welche ihre erste Serviceausrüstung kauft und ihr Snowboard im Wohnzimmer ohne Einspannvorrichtung schleift und wachst. Und ihre bescheidenen Erstversuche ganz stolz als Servicetipps veröffentlicht.
Die Likes hat sie vermutlich wegen ihrem Aussehen bekommen. Fürs Video?
Mal abgesehen davon daß es jedem mit etwas technischem Verständnis klar sein müßte das so etwas nicht funktionieren kann, mich hat geschockt daß es viele Likes gab welche die Videos gelobt haben. Kennst Du das Gefühl das entsteht wenn Du zuschaust wenn es einen Inlineskater auf dem Asphalt auf die Fresse haut. Diesen Schmerz hatte ich bei einigen Szenen aus den Videos.
Außerdem sind im Internet einige "Experten" unterwegs die tolle Tipps zum Geld sparen haben und Produkte und Methoden empfehlen die zwar auf den ersten Blick funktionieren. Aber einige Dinge hinterlassen Schäden auf mikroskopischer Ebene. Zum Beispiel falsche Belagsreiniger.
Oder bequeme Zeitgenossen welche das Skiwachs nicht ausbürsten sondern das Wachs abfahren und den Schwachsinn auch noch als Tipp im Internet posten. Und natürlich Likes bekommen. Ich frage mich, bin ich (und viele andere) doof weil ich trotz 40 Jahren Erfahrung immer noch meine Ski abziehe und ausbürste?
Der Kostenvergleich
Ob sich eine Serviceausrüstung für Dich rechnet ist eine Frage wie oft Du Ski oder Snowboard fährst, wie viele Ski bzw. Boards Du hast und welche Serviceintervalle Du hast. Beispiele:
X (Anzahl Skitage) geteilt durch Y (Serviceintervall) mal Z (Anzahl Ski)
Anspruchsloser Single: ein Paar Ski bei einer Woche Skifahren und einen Service pro Jahr bedeutet 1 mal 35 Euro Kosten/Jahr. Plus evtl. Sprit für zwei Mal extra ins Sportgeschäft fahren. Amortisation einer ordentlichen Skiserviceaustattung nach 8-10 Jahren.
Anspruchsvolle Familie: vier Paar Ski bei zwei Wochen Skiurlaub und drei Skiwochenenden mit Service alle zwei bis drei Skitage bedeuten 21 mal Skiservice mal 35 Euro. Das sind 700 Euro jedes Jahr. Amortisation? Dafür bekommt man eine absolute Top-Service-Ausrüstung. Und alle zwei Tage perfekt gerichtete Ski und Snowboards.
Anspruchsvolle Langläufer/innen: Langlaufspanner, Reiniger, Bügeleisen, Ziehklinge, drei Wachsbürsten, verschiedene Level 5 Wachse. Kosten etwa 600 Euro für eine Top-Ausstattung.
Amortisation - keine Vergleichsmöglichkeit, da (fast) kein Sportgeschäft Langlaufski professionell wachst. Und wenn dann kostet es richtig Geld. Und was ist es wert den Kumpel zu überholen?
Nutzen: ein gut gewachster Langlaufski ist wie legales Doping. Damit bist Du bis zu 20% schneller.
Was kostet eine Serviceausrüstung?
Ski- oder Boardspanner | ab 90 Euro |
Ausrüstung zum Belag richteni | etwa 20 Euro |
Kantenschleifausrüstung Grundausstattung Level 2 | etwa 50 Euro |
Wachsausrüstung Liquidwachs Level 3 mit Reiniger | etwa 60 Euro |
Wachsausrüstung Heißwachs Level 2 mit Reiniger | etwa 70 Euro |
Komplette Ausstattung zum Richten der Ski nach Level 2 | ca. 250 Euro. |
Das bedeutet mit einer ordentliche Basis-Serviceausrüstung für unter 250 Euro kannst Du einen Skiservice durchführen dessen Qualität so gut ist wie das was Du aus einem kompetenten Skifachgeschäft zurückbekommst. Dafür bekommst Du in dem Geschäft nicht einmal 10 kleine Services.
Und bis auf die Verbrauchsmaterialien halten die Werkzeuge locker 20 bis 40 Jahre bei regelmäßigem Gebrauch ohne Funktionsverluste. Es ist also eine Lebensanschaffung.
Der Arbeitsaufwand
Der Nachteil am selber machen ist man muß es selber machen. Und man braucht die geeigneten Räumlichkeiten. Ansonsten ist der Zeitaufwand für viele nicht höher als wenn Du ins Sportgeschäft fahren mußt, Ski abgeben, nach Hause fahren und ein paar Tage später das selbe noch einmal um die Ski wieder abzuholen.
Tagsüber wohlgemerkt. Selber machen geht auch in Ruhe Abends oder am Wochenende. Wer sich mit Skifreunden zusammentut kann auch einen fröhlichen Wachsabend veranstalten.